Ich kam bereits während ich auf der Schulter des Mannes hing wieder langsam zu mir. Im nächsten Moment jedoch warf er mich rückwärts zu Boden, wo ich hart aufkam. Ich verzog vor Schmerz das Gesicht und hustete leise, bevor ich versuchte, mich aufzusetzen. Zwei Streifschüsse, einer an der Schulter, einer am Bauch, erschwerten mir das zusätzlich und ich lehnte mich mit dem Rücken schwerfällig an die Betonwand. Meine Sicht war benebelt und ich hatte Kopfschmerzen von dem ganzen Stress. Gar nicht gut. Der Wahnsinn hatte mich zum Glück endlich los gelassen. Auch wenn ich noch immer nicht klar denken konnte, so war ich wenigstens vorerst von meinen Zwängen befreit. Benommen sah ich mich um. Etwas Blut lief von den Schussschnitten und mein Herz pochte vor Angst wie wild. Was genau passiert war, reimte ich mir gerade noch zusammen und als ich so weit war, legte ich mir eine Hand an die Stirn. "Ahh...." Scharf sog ich die Luft ein. "...wo...?" Meine Stimme klang leise und kratzig, die anderen erkannte ich nur vage

Ich hatte die ganze Zeit die Augen geschlossen und mir auf die Lippe gebissen. Diese hatte wie so oft geblutet und es war sogar etwas auf die Kleidung des Mannes getropft. Nicht viel, nur ein, zwei Tropfen doch reichte das scheinbar schon um ihn wütend zu machen. Er knurrte leise und stieß, trat mich schon fast in die Zelle. Da er nicht sonderlich sanft mit mir umgegangen war, und ich auch generell sehr empfindliche Haut hatte, färbten sich ein paar der Verbände wieder rot und mein gesamter Körper fing wieder an zu schmerzen. Ich gab jedoch nichts außer einem leisen Wimmern von mir und sah mich kurz um. Gerade schienen nur Paul und ich bei Bewusstsein zu sein und ich sah ihn kurz unsicher an. "H- h- he- helfen..", brachte ich gerade so zustande, sah dann zu Liam und Hailey. Ich rappelte mich stark zitternd auf und hielt mir kurz den Kopf, ehe ich zu Liam stolperte und etwas unbeholfen das Verbandszeug ansah. Eigentlich wusste ich was zu tun war, doch war grade in meinem Kopf nur ein großes Loch, schien mich kaum noch an wirklich wichtige Dinge erinnern zu können.

Ich bekam langsam eine klarere Sicht und erkannte diejenigen, die mit mir verschleppt worden waren. Liam, der schwer verwundet war, Hailey, die mir von allen noch am sympathischsten war, trotz meines diebischen Herzens, Luna, vor der ich mich insgeheim fürchtete, denn sie könnte mich trotzdem noch anzeigen wegen unserem Vorfall, doch ich wollte sie gerade deswegen auch beschützen. Und zu guter Letzt noch Amelia, mit der ich nie ein Wort gewechselt hatte. Vielleicht lag es auch daran, dass sie stumm war. Ich betrachtete benommen jeden einzelnen von ihnen und bemerkte dann, dass wir gefangen waren. Mein Schädel dröhnte und ich hatte Schmerzen an den Schusswunden. Doch immerhin war ich für einige Zeit vom Wahnsinn befreit. So heftig war es noch nie gewesen. Und wahrscheinlich war es die Kombination aus Angst um mein Leben und Zwang gewesen, die mich so wahnsinnig gemacht hatte. Ich erinnerte mich. Es war meine Schuld gewesen. Nur meinetwegen waren wir jetzt in dieser miesen Lage. Ich hatte meine Psyche nicht unter Kontrolle gehabt, hatte mich dem Irrsinn widersetzt, statt mich ihm hinzugeben, wie sonst. Und das hatte für einen Riss in meinem Geist gesorgt. Die anderen waren nun wegen dieser blöden Störung hier. Ich gab mir selbst die Schuld an alldem und ließ den schmerzenden Kopf hängen. "...Es..",hob ich an, doch brachte keine angemessene Entschuldigung zustande. Luna sah ich nicht an, traute mich nicht mehr, überhaupt einen von ihnen anzusehen. Sie würden mich dafür auch verantwortlich machen, dessen war ich mir sicher. Was war ich denn auch? Ein einsamer Streuner einer Diebischen Stadt irgendwo im Nirgendwo. Während ich vor Kummer nicht einmal den Mut aufbrachte, mich zu entschuldigen, lief das Blut aus den Schusswunden und ich spürte auch, dass mir die Tränen kamen. Mit aller Kraft, die mir noch verblieben war, hielt ich sie zurück und dank meiner längeren Haare sah man es auch nicht sonderlich gut. *Du hast versagt. Hast deinem Irrsinn Stand gehalten. Und am Ende verloren.*,machte ich mich in Gedanken fertig und fuhr mir mit dem Ärmel über die Nase, wobei ich kurz schniefte. Mit dem Rücken weiter an die Wand gelehnt, legte ich einen Unterarm auf einem Knie ab, das andere Bein am Boden und den anderen Arm schlaff neben mir hängend. Ich hatte Angst, trotz allem aber keine Motivation, mich aufzuraffen und dagegen anzukämpfen. Ich hatte auch Angst davor, meine Hilfe anzubieten, wie Luna es gesagt hatte. Wahrscheinlich würde ich es nur schlimmer machen. Schließlich war ich kein Arzt.

"L- Li- Liam.. d- du bist am schwersten verletzt.", hauchte ich leise und sah kurz zu Paul und Hailey. Sie war wieder wach. "M- meine Verletzungen sind alt.. d- das ist nicht schlimm. A- also lass mich dir helfen.. bitte."

Als Hailey plötzlich neben mir saß, zuckte ich zusammen und zog den Kopf ein. Erst verstand ich nicht, was sie von mir wollte, dann schüttelte ich leicht den Kopf. "Ist nicht schlimm... Nur ein Streifschuss... Kümmert euch erst um Liam, er ist getroffener...",meinte ich leise und starrte weiterhin bedrückt auf den Boden. Die Schuldgefühle lasteten schwer auf mir und ich war drauf und dran, etwas verdammt dummes zu tun.

Ich zuckte leicht zusammen als Liam mich so anfuhr und biss mir auf die Lippe. "I- ich- t- tut mir leid.", wisperte ich leise und rutschte etwas von ihm weg. Die ganze Situation überforderte mich, hätte gerne wie Hailey einen kühlen Kopf behalten doch war mir das nicht möglich. Mein ganzer Körper zitterte und tat weh. Ich fühlte mich nutzlos, sah kurz zu Amelia. Ihr ging es wahrscheinlich nicht anders.